„So was war noch nicht da, und kommt auch nicht wieder"
Jubiläumsjahr „1200 Jahre Kraisdorf" zu Ende –
Umfrage unter der Bevölkerung
Von Simon Albrecht
Die Kraisdorfer haben gut
lachen. Das Jubiläumsjahr „1200 Jahre Kraisdorf" ist vorbei. Was
aber das vergangene Jahr an Gemeinschaftsgefühl und Zusammengehörigkeit
gebracht hat, haben die Bewohner in den vergangenen zwölf Monaten gemerkt
- und nach außen hin auch gezeigt.
Der Handwerker- und Bauerntag am 9. und 10. September, das war der
absolute Höhepunkt für viele Kraisdorfer, wie in einer kurzen Umfrage zu
Ende des Jubiläumsjahres zu erfahren war. Ein strahlend blauer Himmel und
Temperaturen weit über zwanzig Grad an beiden Tagen, und über zwanzig
Attraktionen in den Höfen, bei den Handwerkern und Gewerbetreibenden
waren den Tausenden Besuchern beschert. Überhaupt scheint es, als hätten
die Kraisdorfer für dieses Jubiläumsjahr einen Pakt mit dem Wettergott
geschmiedet: Keine Veranstaltung fiel ins Wasser; lediglich die Beachparty
im Juli und der landkreisweite Erntedankumzug am 3. Oktober waren zwar
etwas kühl, es regnete aber Gott sei Dank nicht.
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„So was wie der Handwerker- und
Bauerntag war noch nicht da, und kommt auch nicht wieder", ist sich Hedwig
Kneuer (72) sicher. Damals hatte sie
neben vielen Kürbissen ihren Hof mit Wäsche, Kleidern, Stickereien und
Haushaltswaren aus vier Generationen bestückt – für viele ein
Augenschmaus. Auch die zahlreichen Termine im Jubiläumsjahr haben ihr
anscheinend nichts ausgemacht: „Man hat zwischendurch mal schnaufen
können", sagte die resolute Hausfrau. „Sehr, sehr schön" sei
für sie die Auferstehungsfeier am Ostersonntag gewesen. „Das war gut für
die Ökumene in unserem Dorf".
Ihre Tochter Maria Genslein war bei jeder Veranstaltung dabei,
obwohl sie in Ebern wohnt. Ihr gefällt der Zusammenhalt unter den Leuten:
„Jeder geht auf den anderen zu". Im übrigen seien die Termine „schön
verteilt" gewesen.
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Frieda Platsch (64) lobte vor
allem die Mitarbeit der Jugend beim Jubiläumsjahr. „Die waren sehr
fleißig", hat sie beobachtet. Schade sei es, dass das Jahr „so
schnell rum war". Von vielen Fremden habe sie gehört, dass so etwas
wie der Handerwerker- und Bauerntag „bei denna net möglich is".
Ihr Mann Adolf Platsch (66) schwärmt noch heute vom Handwerker-
und Bauerntag – „der war was Einmaliges!". Das und der
Erntedankumzug hätten „besonders bei den Auswärtigen" einen
großen Eindruck hinterlassen. „Wenn der Zusammenhalt nicht so gewesen
wäre, hätte man das nicht so aufziehen können", ist sich Adolf
Platsch sicher.
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„Beim Handwerker- und Bauerntag „hat
man gesehen, was man überhaupt nicht ahnen konnte", hob Joachim
Bernhard (43) hervor und führte an, dass viele Leute im Dorf ihr
Handwerk oft im Verborgenen machen, wie bei der Familie Miener das
Flechten von Stuhlsitzen. Auch für ihn war die Zusammenarbeit unter den
Leuten „überragend". Eine der vielen Höhepunkte waren für ihn
die Übetragung des Zwölf-Uhr-Läutens auf dem Radiosender Bayern 1 am
Kirchweihsonntag. Er kritisierte, gerade beim Handwerker- und Bauerntag
sei die Alte Dorfstraße wegen der Sanierungsarbeiten aufgerissen gewesen
– „das war schade". Gestört hat ihn auch, dass während der
Festwoche im Festzelt neben der unterfränkischen zwar die Fahne von
Pfarrweisach, nicht aber die alte Fahne der ehemaligen Gemeinde Kraisdorf
gehängt hat.
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Für Mark Grimmer (24)
war neben dem Handwerker- und Bauerntag das fünf Tage dauernde Jubiläumsfest
vom 11. bis 15. August das herausragende Ereignis. Vor allem
für die Jugendlichen sei musikalisch für jeden Geschmack etwas dabei
gewesen.
Lediglich bei der Beachparty im Juli habe das Wetter
nicht so recht mitgespielt. Und das ist auch typisch für ihn: als ob es
der Termine im Jubiläumsjahr nicht genug gewesen wären bemerkte er
trocken zum Verfasser: „Schreib‘ so: Sehr bedauerlich war es, dass man
die beiden Jubiläen, das 30. Bestehen der Blasmusik Kraisdorf und das
125. Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr, nicht gleich mitgefeiert
hat". |
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Olaf Betz (39), ein „Neu-Kraisdorfer", der sich mit seiner
Familie gut in der neuen Heimat eingelebt hat, muss jetzt in den
Wintermonaten in seinem Beruf viele Arbeitsstunden nachholen, weil er sich
bei den vielen Festen immer frei genommen hatte.
Zusammen mit seiner Frau Tina und Helfern hatte er beim Erntedankumzug mit
einem Bulldogg und einem fahrbaren Backofen teilgenommen.
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Ein Abend, der eigentliche geschichtliche Höhepunkt des Jubiläumsjahres,
lag schon zu Beginn: der 3. Februar 2000. Unvergessen ist noch der Festvortrag
von Kreisheimatpfleger Günter Lipp, der zum ersten Mal die geschichtliche
Entwicklung von Kraisdorf so ausführlich als möglich darstellte, und dafür
minutenlangen Applaus erhielt. Am 3. Februar nämlich sollen es 1200 Jahre
hergewesen sein, dass Kraisdorf auf einer Schenkungsurkunde der Äbtissin Emhild vom Kloster Fulda erstmals urkundlich erwähnt wurde – im Gleichklang
mit vielen anderen Dörfern und Städten, wie z. B. Seßlach oder Mürsbach, die
im Jahr 2000 ebenfalls ihr 1200. Jubiläum feierten.
Diese Äbtissin – oder zumindest ein weibliches, jungfräuliches Konterfei
- ist dann auch im offiziellen Emblem zum 1200jährigen Bestehen von Kraisdorf
verwendet worden. Bei einer Versammlung stimmten die Anwesenden für das Emblem,
doch wuchs im Lauf der Monate eine gewisse Antipathie – weil man sich eben mit
dieser Dame nicht identifizieren konnte. Krampfhafte Bemühungen des Komitees,
zur Jubiläumswoche im August eine Klosterfrau nach Kraisdorf zu bekommen,
scheiterten.
Das Konterfei hatte Nachahmer gefunden: die „Graatschbeutel"
parodierten beim Büttenabend des TTC Kraisdorf „die Tussi", wie sie der
Volksmund salopp nennt, und die Blasmusik Kraisdorf spielte beim Faschingsumzug
in Pfarrweisach in schwarzen Folien gehüllt, ähnlich wie es die Nonne
darstellt.
Wie es weiter geht, vor allem mit dem Verein „1200 Jahre Kraisdorf"
werden die nächsten Wochen zeigen. Ob die in den vergangenen zwei Jahren ins
Leben gerufene Veranstaltungen, wie dem Hahnenschlag zur Kirchweih, der
Weihnachtsmarkt oder die Auferstehungsfeier am Ostersonntag beibehalten werden,
bleibt abzuwarten. Angesichts des großartigen Erfolgs in der Bevölkerung
sollten die Verantwortlichen in sich gehen und gerade wegen dieses
hervorragenden Gemeinschaftsgefühls weiter machen –gleichwohl auch in einer
anderen Art.
Das Jubiläumsjahr Kraisdorf hat Maßstäbe gesetzt. Der Handwerker- und
Bauerntag, das Jubiläumswochenende oder der Erntedankzug – sie alle sind zur
Messlatte geworden; zur Messlatte für andere Dörfer, Städte und Vereine, die
ähnliches Großes in der nächsten Zeit vor haben. Sie sollten nicht
zurückschrecken. Bei einer intakten Gemeinschaft ist Vieles und Großes
möglich. Kraisdorf hat es gezeigt.
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